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Ausgabe 27, August 2022

Vorsorge

Kettenreaktion: Erst fällt das Gas aus, kurz darauf der Strom, das Internet und die Logistik für unsere Grundversorgung. Alles nur Spekulation?

 

Advent, Advent!
Kein Gas mehr brennt.

Schnell klauen wir noch Holz im Wald.
Doch beim Bäcker bleibt der Ofen kalt.

Frohe Weihnachten überall.
Zu Hause frieren – wie im Stall.

Stille Nacht, eisige Nacht.
Wie lang es noch das Stromnetz macht?

Und was für eine Not:
Oh, www, das Internet ist tot!

Auch Automaten stehen still,
weil die Technik es so will.

Die Container gehen nicht auf Reisen,
Regale leer – was willst du speisen?

Jetzt frieren noch die Rohre ein.
So ein Quatsch, das kann nicht sein!

Freiheit! Freiheit! Staatsversagen?
Noch ist Zeit zu handeln statt zu klagen!

Hans Hoffmeister

 

Phase I: Gasnotstand

Im Unterschied zu einer „Störung“ befinden wir uns in einer Gasnotsituation durch eine hybride Kriegssituation: Der Schaden soll so groß wie möglich sein. Die Unterbrechung der Gaslieferung betrifft nicht einen einzelnen Straßenzug und dauert nicht ein paar Stunden. Bei einer Wiederinbetriebnahme der Gasleitung müssen alle Leitungen entlüftet werden. Techniker überprüfen jeden Haushalt auf sicheren Weiterbetrieb. Zündvorgänge und ein Gasluftgemisch beinhalten unter gewissen Umständen ein Gefahrenpotential. Die Vorstellung, dass man Ortsteile nur stundenweise Gas zuteilt oder den Druck reduziert, ist wohl keine Lösung. Großflächig betrachtet fehlt hierfür auch ausreichendes Personal. Es ist also damit zu rechnen, dass die Unterbrechungen der Gasversorgung über einen längeren Zeitraum stattfindet. Zudem werden Krankenhäuser, Altenheime, Schulen usw. vorrangig versorgt werden. Fällt in einer Wohnung die Heizung aus, ist die Gesundheit in Gefahr. Als Nächstes folgen Rohrbrüche in Trinkwasserleitungen und Heizkreisen. Es entstehen immense Schäden an Böden, Decken und Wänden. Die Bewohner werden jedoch alles unternehmen, um dies zu vermeiden. Fehlt ein Kamin, ein Kachelofen oder ausreichend Brennstoff, wird der Wärmenotstand jetzt die Phase zwei einleiten: Blackout.

Phase II: Stromnotstand

Es ist mittlerweile nicht mehr die Frage, ob wir einen Stromausfall haben, sondern wann es so weit sein wird. Dieser Zeitpunkt tritt dann ein, wenn nicht mehr genug Gas vorhanden ist und die Wohnungen auskühlen: Elektroöfen und Heizstrahler sind dann die erste Wahl. Und wer hat nicht längst so einen Ofen, der locker zwischen 400 und 3.000 Watt verbraucht? Auch Elektroherde, Wasserkocher, Heizdecken, Toaster und ein Haarföhn gehören zur Gerätegruppe, die Wärme erzeugen und viel Strom verbrauchen. Ein einziger Elektroofen mit 2000 Watt braucht so viel Strom wie 25 Fernseher, 400 LED Lampen oder 20 Kühltruhen. Ob Ökostrom oder schmutziger Strom – das hält kein Netz aus. Schließlich gibt es wohl über 20 Millionen Haushalte mit mehreren Zimmern.

Und selbst wenn Teile des öffentlichen Netzes vorsorglich abgeschaltet würden, wäre das keine Lösung: Mit solchen Abschaltungen würden gleichzeitig und automatisch die Einspeisung von Solar – und Windkraftanlagen unterbrochen (ohne solch ein Sicherheitssystem wären z. B. Reparaturarbeiten am Stromnetz nicht möglich). Zeitgleich mit dem erhöhten Strombedarf reduziert sich also auch die Stromproduktion.

Ein weiteres Problem stellen die hohen Anlaufströme bei Elektromotoren dar. In dem Moment, in dem das öffentliche Netz wieder Strom liefert, braucht eine Gefriertruhe nicht nur 300 W, sondern für 1-2 Sekunden 1200 W oder sogar bis zum 10-fachen des Nennwertes.

Es ist auch denkbar, dass auch Kühlschränke, Wasserpumpen, Heizungspumpen, Wärmepumpen, Klimaanlagen, Ventilatoren, Staubsauger, Waschmaschine usw. gleichzeitig in Betrieb gehen und das Netz zusammenbricht, weil sie nicht ausgeschaltet wurden.

Fällt der Strom für einen längeren Zeitraum aus, dann handelt es sich um einen schwerwiegenden Notstand. Die Folgen sind kaum abschätzbar und komplex. Strom ist mittlerweile so bedeutsam wie das Blut in unseren Adern.

  • Das Buch „Blackout“ (Marc Elsberg) kann hier zu in einer unterhaltsamen Form einen ersten Eindruck vermitteln, auf was wir uns einstellen sollten.

  • Konkrete Erfahrung konnten beim Schneechaos in und um Ochtrup gewonnen werden. 250.000 Haushalte im Münsterland waren bis zu drei Tage ohne Strom. (Wir waren selber betroffen, jedoch auf solch eine Situation vorbereitet)

  • Weitere Einblicke in die Thematik und der Aufbau einer Notstromversorgung durch eine netzgebundene Solaranlage bietet der Beitrag „Gefriertruhe warm – Heizung kalt“in der Rubrik Vorsorge.

  • Eine netzunabhängige Notstromversorgung für zum Beispiel eine Etagenwohnung wird in der nächsten Ausgabe von machsanders.eu beschrieben. So lässt sich der Betrieb etwaiger wichtiger Verbraucher schon für wenige 100 € aufrechterhalten. (Erfahrungsbericht)

Phase III Systemnotstand

Bei einem anhaltenden Stromausfall brechen auch kurzfristig die Kommunikationssysteme zusammen. Das betrifft betriebliche Abläufe in der industriellen Produktion wie auch bei der Warenverteilung vom Großhandel bis zum Supermarkt. Wegen des Ausfalls der Kühlung, der Kassen, der Registrierung, der Beleuchtung und der Automatiktüren wird der Betrieb eingestellt. Den freundlichen Becker, bei dem man anschreiben kann, den gibt es nicht mehr. Und kennen Sie einen Apotheker oder Arzt, der für die Kühlung ihrer wichtigen Arzneimittel oder den Betrieb lebensrettender Diagnose – oder Behandlungsgeräte ein funktionierendes Notstromaggregat einsatzbereit hält? Und alle, die begeistert, aber gedankenlos dem Trend zum bargeldlosen Bezahlen gefolgt sind, werden hart auf dem Boden der Realität aufschlagen: Es gibt nichts mehr zu verhandeln – alles nur Luft. Es sei denn, sie sprengen den Geldautomaten. Aber auch dazu fehlt ja das Gas… Diese gedankliche Reise ist ja nicht zu Ende. Kommt dann der Ernährungsnotstand, das Fringsen (Erzbischof von Köln, 1946) oder das Recht des Stärkeren? Das Vor-denken. die Vor-sorge und Vor-räte sind wohl das Stiefkind einer Wohlstandsgesellschaft mit Sprungtuchfantasien.

Und hängt jetzt alles vom Wind ab? Der Südwind hat uns Dürre, Wassermangel und Waldbrände beschert. Dreht der Wind im Winter auf Nord, gibt es extreme, sibirische Kälte.

Alles wird anders. Klimazerstörung, Krieg, Epidemie, Inflation, Materialmangel, Energiemangel, Fachkräftemangel und so weiter. Ereignisse, die unser Vorstellungsvermögen übersteigen, halten wir für unglaublich. Viele Menschen „schützen“ sich durch Verdrängung, Ausblendung oder Ablenkung. Was aber dabei bleibt, ist die Angst. Sie entsteht durch die Ungewissheit über die Art der Gefahr, die wir nicht einordnen und erkennen können (oder wollen). Furcht hingegen bedeutet, dass ich eine Gefahr erkenne und abschätzen kann. Erst wenn ich in der Lage bin, mich damit auseinander zu setzen, habe ich die Möglichkeit, mich gezielt durch Strategien zu schützen: Ich kann mich auf das Problem vorbereiten und mir bleiben Optionen, unterschiedlich und rechtzeitig zu handeln.

Entscheidend ist auch, ob ich einen inneren Halt besitze und die „Erdung“ noch nicht verloren habe. Bin ich eingebunden in eine Familie, einen verlässlichen Freundeskreis und Menschen mit Empathie? Gibt es im Umfeld Orte der Begegnung und des Austausches? Oder habe ich über 500 Freunde, die sich mit einem Mausklick von mir verabschieden?

Ochtrup hat etwas gezeigt: Krisen haben auch etwas Gutes. Die Menschen rücken zusammen. Wir alle sind nicht als Egoisten geboren worden. Das belegen Forschungen an Kleinkindern.

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Monatlich neue, nachhaltige Beiträge für neues Denken in einer neuen Zeit.

 

Vorschau: In einem nächsten Beitrag berichten wir über Experimente zur Einrichtung von unterschiedlichen Notstromversorgungen. Fünf Modelle zwischen null und 1800 € wurden erprobt und ausführlich beschrieben. Was hab ich schon? Was brauche ich noch? Was geht damit?

Fernsehtipp: WISO „Blackout in Deutschland – Horrorszenario oder reale Gefahr?“, ZDF 1.8.2022, 19:25 Uhr bis 20:15 Uhr. Der Film hat den aktuellen, kriegsbedingten Energienotstand in seinen Ausführungen noch nicht einbezogen. Trotzdem empfehlenswert!

Münstersche Zeitung: Artikel zum Thema vom 27.08.2022

 

Stopp die heiße Brause – für ein gemütliches zu Hause.

Wenn wir jetzt die Heizung sparen – bleibt es im Winter vielleicht warm.

Statt genussvoll täglich duschen – mal abhärten und vernünftig "wuschen".

Und nicht erst morgen, sondern heute – so machen es die klugen Leute.

Hans Hoffmeister